Verwendung von IP-Adressen als digitale Beweise – Zentraler Identitätsnachweis?
Das Webinar richtet sich an alle Strafverteidiger*innen und Analysten, die regelmäßig in Strafsachen verteidigen, in denen die IP-Adresse einer Internetspur als oft zentraler Beweis der Identität von Beschuldigten verwendet wird. Dies trifft in besonderem Maße für Cybercrime im engeren Sinne aber auch in den sog. Kipo-Verfahren oder anderen im Darknet abgewickelten Verbindungen mit dem Verdacht einer Straftat zu. Zwar werden weitergehende digitale Kompetenzen nicht vorausgesetzt, jedoch ist eine Offenheit zu und ein Einlassen auf technische Beschreibungen um das ‚Funktionieren‘ von IP-Adressen erforderlich.
Herausforderung „IP-Adresse“ für die Strafverteidigung
In allen Formen von Internetnutzung im Zusammenhang mit einem Tatverdacht, in denen die Identität des hinter dem Internetzugriff stehenden tatsächlichen Akteurs bestätigt und nachgewiesen oder erst einmal festgestellt werden muss, bietet die IP-Adresse (gleichsam als digitaler Fingerabdruck oder eine DNA-Spur) den entscheidenden Ansatzpunkt für die Identitätsfeststellung von Verdächtigen in der realen Welt. Gerade im Bereich von Kinderpornografie und Bereichen des Darknets wird das Aufspüren der initialen IP-Adresse des 'unmaskierten' Täters als der Schlüssel zum Ermittlungserfolg angesehen.
So, wie Strafverteidiger*innen in der Vergangenheit gelernt haben, Identitätsfeststellungen über daktyloskopische Begutachtung oder DANN-Analyse mit Sachverstand kritisch auf ihre Zuverlässigkeit und ihren Beweiswert hin zu hinterfragen, ist es nun im Zeitalter der digitalen Beweismittel notwendig, entsprechende Kompetenzen aufzubauen.
Dieses Webinar zielt darauf ab, ein Grundverständnis zu den beweisrelevanten technischen Hintergründen von IP-Adressen im Ermittlungsprozess zu vermitteln. Es stellt die Grundlagen zum Verständnis der Bedeutung von IP-Adressen für die Ermittlung von Verdächtigen dar, weißt auf mögliche Schwächen und Fehlerquellen im Ermittlungsprozess hin und wie sie aus Sicht der Strafverteidigung aufzuzeigen und zu verwerten sind.
» (1) Grundlagen zum Verständnis von IP-Adressen als strafrechtliche Beweise
In einem ersten Abschnitt werden einige wenige technische Grundlagen zum Verständnis von IP-Adressen und ihrer Funktion für die Kommunikation im Internet nachvollziehbar dargestellt, z.B. dass dazu ein sog. TCP/IP-Stack, der aus mehreren Schichten besteht, genutzt wird. Damit wird auch für Nicht-IT-Experten auf einer ersten Ebene verständlich, in welchen (überschaubaren!) technischen Strukturen Kommunikation in lokalen Netzen und im Internet funktioniert und in welcher Weise IP-Adressen eingebunden sind.
» (2) Neuralgische Punkte in der IT-forensischen Ermittlung
Vor dem Hintergrund der Basics unter Punkt (1) werden dann Schwächen und Fehlerquellen, die aus Sicht der Verteidigung bei der Prüfung digitaler Beweise, welche auf der Feststellung von IP-Adressen beruhen sollen, dargestellt. In diesem zweiten Schwerpunkt wird das Webinar auf wesentliche Kriterien und Standards, die bei der IT-forensischen Nachverfolgung und Bewertung von IP-Adressen als Identitätsfeststellung auf verschiedenen Ebenen der IT-forensischen Untersuchung zu beachten sind, eingehen und diese verständlich erklären. Die häufig festzustellende Nichtbeachtung derartiger methodischer Kriterien – die bei der rasanten technologischen Entwicklung im Rahmen der Digitalisierung zudem einem schnellen Wandel unterliegen – bietet Ansatzpunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit und dem Beweiswert der auf die IP-Nachverfolgung gestützten Beweise der Feststellung der tatsächlichen individuellen Identität ‚hinter‘ digitalen Spuren.
» (3) Juristische Konsequenzen bei Feststellung der Nichteinhaltung von Standards
Im dritten Abschnitt des Webinars werden mögliche prozessuale Initiativen der Verteidigung bei Feststellung der Nichteinhaltung von Standards in der IP-Adressen-Identitätsfeststellung in Form von Beweisanträgen oder der Bestellung von IT-Forensik-Sachverständigen erörtert.
Aufgabe der Verteidigung ist es, die Zuverlässigkeit der Methoden und Techniken der Datenerfassung und Auswertung sowie die Validität der Daten („stimmen die Daten?“) zu überprüfen und dabei insbesondere die Einhaltung der entsprechenden Standards nachzuvollziehen und gegebenenfalls kritisch zu hinterfragen.
Abschließend wird in aller Kürze auf Möglichkeiten der eigenständigen Auswertung bestimmter Telekommunikationsdaten durch die Strafverteidigung hingewiesen.
Welchen Mehrwert bietet das Webinar für die Strafverteidigung?
Die in diesem Webinar vermittelten Einsichten in die Verwendung von IP-Adressen als digitale Beweise in Strafverfahren erlauben es dem Verteidiger und Analysten, die technische Hintergründe und die Funktion von IP-Adressen im polizeilichen Nachweis der „unmaskierten“ Identität des 'hinter' den Cyberspuren stehenden realen Akteurs zu verstehen, mögliche Schwachstellen und Fehler in den IT-Ermittlungen zu erkennen und konkrete kritische Fragen für die Vernehmung von Ermittlungspersonen, sachverständigen Zeugen bzw. Sachverständigen zu formulieren bzw. Themen für Beweisanträge zu entwickeln.